Sonntag, 3. Januar 2016

Außergewöhnliche Belastungen: Verfassungsmäßigkeit der Kürzung um zumutbare Belastung

Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteilen vom 2. September 2015 (VI R 32/13, VI R 33/13) entschieden, dass es von Verfassungs wegen nicht geboten ist, bei der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf den Ansatz einer zumutbaren Belastung zu verzichten.

In den Urteilsfällen hatten die Kläger Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung geltend gemacht. Es handelte sich dabei insbesondere um Aufwendungen für Zahnreinigung, Laboratoriumsmedizin, Zweibettzimmerzuschläge sowie für Arztbesuche und Zuzahlungen für Medikamente („Praxis- und Rezeptgebühren“), die von den Krankenversicherungen nicht übernommen worden waren. Diese Aufwendungen seien, so die Kläger, zwangsläufig entstanden und von Verfassung wegen ohne Berücksichtigung einer zumutbaren Belastung abzuziehen. Denn das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass Krankenversicherungsbeiträge Teil des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums seien; dies müsse jedenfalls auch für Praxis- und Rezeptgebühren gelten.

Die Finanzämter ließen einen Abzug der Aufwendungen nicht zu und gingen damit von einem Ansatz der zumutbaren Belastung aus. Der BFH bestätigte diese Rechtsauffassung. Krankheitskosten gehören zwar grundsätzlich zu den außergewöhnlichen Belastungen, aber auch sie sind einkommensteuerrechtlich nur zu berücksichtigen, soweit sie die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG überschreiten. Auch verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, bei Krankheitskosten einschließlich der Praxis- und Rezeptgebühren auf den Ansatz der zumutbaren Belastung zu verzichten. Denn zum verfassungsrechtlich zu achtenden Existenzminimum, das sich grundsätzlich nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet, gehören solche Zuzahlungen nicht, weil auch Sozialhilfeempfänger solche zu leisten haben.

Nach den einschlägigen sozialrechtlichen Bestimmungen hatten in den Streitjahren 2008 und 2009 alle Versicherten, also auch Versicherte, die Hilfe zum Lebensunterhalt oder zur Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhalten, Zuzahlungen, nämlich Praxisgebühren sowie die auch noch gegenwärtig erhobenen Zuzahlungen für Heilmittel, Hilfsmittel und Krankenhausbehandlungen, bis zur Belastungsgrenze in Höhe von 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zu leisten. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen dagegen nicht. Denn dem Gesetzgeber ist es – so der BFH mit Hinweis auf das Bundesverfassungsgericht - grundsätzlich erlaubt, Versicherte zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des Kostenbewusstseins in Form von Zuzahlungen zu beteiligen, soweit dies dem Einzelnen finanziell zugemutet werden kann. Das war in den Urteilsfällen angesichts der Einkünfte der Kläger und deren Aufwendungen in Höhe von 143 € und 170 € nicht der Fall. Daher konnte hier auch offenbleiben, ob bei Unterschreitung des Grundfreibetrags durch Zuzahlungen von Verfassungs wegen anderes gilt. 

Pressemitteilung BFH Nr. 84 vom 23. Dezember 2015

Dienstag, 11. August 2015

Einkommensteuer: Für Blockheizkraftwerke wird es ertragsteuerlich heiß (DStV)

Nach Beschluss der obersten Finanzbehörden und der Länder vom 17.7.2015 werden Blockheizkraftwerke (BHKWs) entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung wie ein wesentlicher Bestandteil des Gebäudes, statt wie zuvor als selbstständiges bewegliches Wirtschaftsgut behandelt. Dies gilt für Fälle, in denen das BHKW keine Betriebsvorrichtung darstellt, d.h. der eigentliche Zweck in der Gebäude- und Wasserbeheizung liegt. Darauf weist aktuell der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) hin.


Hierzu führt der DStV weiter aus:
  • Nach alter Verwaltungsauffassung wurde den selbstständigen, vom Gebäude losgelösten beweglichen Wirtschaftsgütern für AfA-Zwecke eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 10 Jahren zugrunde gelegt. Dieser Ansatz ist nun grundsätzlich nicht mehr möglich.

  • Bei Neuanschaffung oder -bau sind nun die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des BHKWs dem Gebäude zuzurechnen. Sie unterliegen damit zwar weiterhin der linearen Abschreibung, allerdings gilt die für Gebäude betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von grundsätzlich 50 Jahren. Die durchschnittliche Lebensdauer eines BHKWs ist indes deutlich kürzer.

  • Muss das BHKW ausgetauscht werden, ist der anfallende Erhaltungsaufwand sofort in voller Höhe steuerlich absetzbar.

  • Die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags und der Investitionszulage ist mangels Klassifizierung als abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens sodann nicht mehr möglich.
Hinweis: Vertrauensschutz wird für alle vor dem 31.12.2015 angeschafften, hergestellten oder verbindlich bestellten BHKWs gewährt. Demnach besteht ein verbindliches Wahlrecht zwischen neuer und alter Verwaltungsauffassung. Dieses ist spätestens für den Veranlagungszeitraum 2015 auszuüben. Mit der signifikant höheren Abschreibungsdauer bei Neuanschaffung des Gebäudes nebst BHKW nach dem 1.1.2016 und dem Verwehren der Investitionsförderungen büßt das Blockheizkraftwerk steuerlich an Attraktivität ein. Den Zielsetzungen der Bundesregierung zum Klimaschutz und zur dezentralisierten Energieversorgung ist dies sicherlich nicht förderlich.

Quelle: DStV, Pressemitteilung v. 27.7.2015

Donnerstag, 26. Februar 2015

Bilanzänderung – unterbliebene Offenlegung der geänderten Handelsbilanz

FinMin Schleswig-Holstein, Kurzinformation vom 30.6.2011, VI 304-S 2141-011


§§ 325 ff. HGB regeln für Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften, deren Haftungsstrukturen mangels einer vollhaftenden natürlichen Person denen von Kapitalgesellschaften vergleichbar sind, die Pflicht zur Offenlegung u.a. des Jahresabschlusses, bestehend aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang. Der Begriff „Offenlegung“ beinhaltet
– die Einreichung beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers (§ 325 Abs. 1 Satz 1 HGB) und
– die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger (§ 325 Abs. 2 HGB).
Bei Änderungen bereits offengelegter Unterlagen müssen nach § 325 Abs. 1 Satz 6 HGB auch diese Änderungen beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers nachgereicht und im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht werden. Diese Vorschrift ist entsprechend auf rückwirkende Änderungen der Handelsbilanz nach einer Betriebsprüfung anzuwenden.
Zu der Frage, ob aus ertragsteuerlicher Sicht einer nach HGB prüfungs- und offenlegungspflichtigen GmbH & Co KG eine Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG zu versagen ist, die die KG durch entsprechende Änderung ihrer Handelsbilanz zur Kompensation von Gewinnerhöhungen durch im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellte fehlerhafte Bilanzansätze vorgenommen hat, diese Änderung aber nicht gemäß § 325 Abs. 1 Satz 6 HGB zur Bekanntmachung im Bundesanzeiger eingereicht hat, gilt Folgendes:
Die angesprochene Frage betrifft die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz, die in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG normiert ist; vgl. auch Rdnr. 1 des BMF-Schreibens vom 12.3.2010, BStBl. I, S. 239, IV C 6 – S 2133/09/100001, siehe auch hier. Handelsrechtlich ist der – bei Prüfungspflicht zuvor geprüfte – Jahresabschluss allein mit der Aufstellung und Feststellung rechtlich wirksam. Verstöße gegen die Offenlegungspflichten nach § 325 HGB stellen weder einen Grund zur Anfechtung des Jahresabschlusses noch einen Nichtigkeitsgrund dar; derartige Verstöße können mit Ordnungsgeld sanktioniert werden. Für eine wirksame Änderung der Handelsbilanz ist eine Offenlegung nicht erforderlich, so dass auch eine nicht offengelegte geänderte Bilanz der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann.


Praxis-Info!
Durch unrichtige oder fehlende Buchungen im Laufe des Wirtschaftsjahres (z.B. überhöhte Abschreibungen; Wesentlichkeitsgrundsatz beachten!) können sich Fehler in der Schlussbilanz und in der GuV ergeben:
  • Als Bilanzberichtigung wird der Ersatz eines unzulässigen Bilanzansatzes durch einen zulässigen Bilanzansatz bezeichnet.
    Ein Bilanzansatz ist nicht fehlerhaft, wenn er der im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht. Kommt es später zu einer Änderung der Rechtsprechung, so wird der Bilanzansatz in der Bilanz fehlerhaft, in der die Änderung der Rechtsprechung erstmals berücksichtigt werden kann (BFH-Urteil vom 12.11.1992, IV R 59/91, BStBl. II 1993, S. 392). Dies ist regelmäßig die erste nach Veröffentlichung der geänderten Rechtsprechung aufgestellte Bilanz (siehe oben). Eine rückwirkende Berichtigung von Bilanzen, die einer verfahrensrechtlich noch änderbaren Veranlagung zugrunde liegen, kommt nicht in Betracht.
  • Im Unterschied dazu ist (steuerrechtlich) eine Bilanzänderung nur dann möglich, wenn ein zulässiger Bilanzansatz durch einen anderen zulässigen Bilanzansatz ersetzt wird (z.B. unterschiedliche Wahrnehmung von Ansatz-/Bewertungswahlrechten).
Handelsrechtlich existieren keine Vorschriften für die Berichtigung oder Änderung. Die Bilanz wird mit der Unterzeichnung (gemäß § 245 HGB) festgestellt und kann jederzeit geändert und neu unterschrieben werden. Steuerrechtlich ist eine Bilanz gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG zu berichtigen, wenn sie nicht den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entspricht, insbesondere wenn die handels- und steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften nicht beachtet worden sind (§§ 238 ff. HGB sowie § 6 EStG).
Die Berichtigung kann durch den Steuerpflichtigen selbst vorgenommen werden. Sie wird aber meist im Rahmen der steuerlichen Außenprüfung oder aber bereits im Steuerfestsetzungsverfahren ergehen. Die hierdurch eintretenden Änderungen führen zur Erhöhung oder Verminderung des Betriebskapitals und damit zu einem höheren oder niedrigeren Gewinn im Jahr der Änderung.
Zur Problematik der Bilanzierungsfehler sowie zur Praxis der Fehlerbeseitigung in der Steuerbilanz vgl. Hoffmann, BC 1/2005 (S. 2 ff.).

Praxishinweise:
  • Kapitalgesellschaften und GmbH & Co. KGs hatten noch bis zum 31.12.2007 Zeit, die Jahresabschlussunterlagen aus dem Geschäftsjahr 2006 elektronisch offenzulegen. Ab Januar 2008 müssen diese Unternehmen bei Verstößen mit einem Ordnungsgeldverfahren rechnen, das allerdings durch Einreichen der Unterlagen binnen sechs Wochen abgewendet werden kann.
  • Das Ordnungsgeldverfahren leitet das Bundesamt für Justiz von Amts wegen ein, wenn die Unterlagen nicht rechtzeitig oder unvollständig beim elektronischen Bundesanzeiger eingehen. Für Verstöße drohen Ordnungsgelder von 2.500 bis 25.000 €. Das Ordnungsgeld kann sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen ihre gesetzlichen Vertreter und notfalls auch mehrfach festgesetzt werden.
  • Eine geringfügige Überschreitung der Sechswochenfrist (nach Androhung eines Ordnungsgeldes) wird regelmäßig nur bei einer Fristüberschreitung von bis zu einer Woche angenommen. In diesem Fall gilt eine Herabsetzung auf die Hälfte des ansonsten angemessenen Ordnungsgeldes für sachgerecht.
  • Welche Datenformate zulässig sind (insbesondere Word-, RTF-, Excel-, PDF- oder XML-Format), welche größenabhängigen Erleichterungen für die Offenlegung von Jahresabschlüssen gewährt werden oder welche Möglichkeiten bestehen, die Offenlegungspflicht einzuschränken bzw. sich von ihr zu befreien, erörtert Praetorius ausführlich in BC 3/2007 (S. 89 ff.). Welche Erleichterungsmöglichkeiten und bilanzpolitischen Maßnahmen kleinere GmbHs nutzen können, die Offenlegung ihrer Jahresabschlussdaten möglichst zu begrenzen, illustrieren Meeh/Sattler in BC 11/2008 (S. 285 ff.) anhand von zwei Praxisbeispielen.

Montag, 12. Januar 2015

Einkommensteuer: Wirksame Übermittlung einer Steuererklärung per Fax (BFH)

Der VI. Senat des BFH hat entschieden, dass eine Einkommensteuererklärung auch wirksam per Fax an 

das Finanzamt übermittelt werden kann (BFH, Urteil v. 8.10.2014 - VI R 82/13; veröffentlicht am 7.1.2015).


Hintergrund: Nach § 25 Abs. 3 EStG muss die Einkommensteuererklärung eigenhändig unterschrieben sein.
Eigenhändigkeit der Unterschrift bedeutet, dass sie "von der Hand" des Antragstellers bzw. des Steuerpflichtigen
stammen muss (BFH, Urteil v. 7.11.1997 - VI R 45/97). Eine Blankounterschrift genügt diesen Anforderungen nicht.

Sachverhalt: Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2007 ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Über den Inhalt der von ihrer Steuerberaterin erstellten Einkommensteuererklärung 2007 hatte sich die Klägerin
ausschließlich telefonisch informiert und das ihr zugefaxte Deckblatt der Erklärung unterschrieben.

Die Steuerberaterin übermittelte dem Finanzamt die Steuererklärung über das ELSTER-Portal ohne Zertifizierung.
Beim Finanzamt ging am 30.12.2011 die hierzu gehörende komprimierte Einkommensteuererklärung ein, deren
erste Seite das zugefaxte Deckblatt mit der telekopierten Unterschrift der Klägerin war. Erst im Januar 2012
unterschrieb die Klägerin erneut das Deckblatt der Erklärung an Amtsstelle. Das Finanzamt lehnte den Antrag
auf Veranlagung zur Einkommensteuer 2007 wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist ab. Das Finanzgericht gab der
hiergegen erhobenen Klage statt (s. hierzu NWB-Nachricht v. 20.12.2013).

Der BFH bestätigte nun die Entscheidung des Finanzgerichts.

Hierzu führte der BFH weiter aus:

Eine Einkommensteuererklärung kann auch wirksam per Fax an das Finanzamt übermittelt werden. Denn für 
die Einkommensteuererklärung gilt insoweit nichts anderes als für die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze, 
für die höchstrichterlich bereits entschieden ist, dass eine Übermittlung per Telefax in allen Gerichtszweigen 
uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes 
v. 5.4.2000 GmS-OGB 1/98).

Durch das Erfordernis der Schriftlichkeit soll sichergestellt werden, dass Person und Inhalt der Erklärung eindeutig
festgestellt werden können und dass es sich nicht lediglich um einen Entwurf handelt. Diese Zwecke werden auch 
bei der Übermittlung einer Einkommensteuererklärung per Fax gewahrt.

Dabei ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige den Inhalt der Erklärung tatsächlich in vollem Umfang zur 
Kenntnis genommen hat. Denn mit der auf der Erklärung geleisteten Unterschrift macht sich der Steuerpflichtige 
deren Inhalt zu eigen und übernimmt dafür die Verantwortung.

Anmerkung: Das Urteil führt zu einer wesentlichen Erleichterung bei Übermittlung von Steuererklärungen, die oft
erst kurz vor Fristablauf verschickt werden können. Die Ausführungen des BFH zum Zweck des Erfordernisses der
eigenhändigen Unterschrift überzeugen; sie sollten gleichermaßen für die Unterschrift auf einem gescannten und
elektronisch versandten PDF-Dokument gelten.